28. März 2008

Dem Schulsystem entkommen können, wenn es versagt

Die leise und verzweifelte Klage einer Schülerin (und ihrer Mutter), die durch Schulbesuch körperlich, seelisch und psychosomatisch zerstört wird:

Bei der Einschulung meiner Tochter hatte ich nicht die leiseste Ahnung was auf sie zukommen würde. Als sechsjähriges Mädchen begleitete ich sie zum ersten Schultag. Sie war ruhig, fröhlich, aufgeschlossen und unwahrscheinlich wissbegierig, und hatte somit also recht viele positive Eigenschaften um in der Schule zurechtzukommen. Doch sie äußerte immer wieder, dass sie viel lieber bei mir zuhause sein möchte. Ich suchte dann immer nach Begebenheiten oder Erlebnissen in der Schule, die ihr Spaß machten.
Als sie die zweite Klasse besuchte kam ihr kleiner Bruder zur Welt. Von nun an fiel es ihr sehr schwer jeden Tag auf‘s Neue von uns weggehen zu müssen. Es kam soweit, dass kaum eine Woche verging, in der sie nicht an ein oder zwei Tagen krank war. Meist waren es Bauchschmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen oder Blasenentzündung. Wegen ihren vielen Fehltagen begannen Kinder aus ihrer Klasse sie zu trietzen und zu ärgern, sie hatte kaum noch Freunde. Bis zum Ende der vierten Klasse hielt diese Situation an. Ich suchte immer wieder das Gespräch mit Ihrem damaligen Klassenlehrer, da ich mit Problemen wegen der vielen Fehltage rechnete. Ihre schulischen Leistungen waren nach wie vor gut.
Ab der Fünften sollte alles besser werden, da sie dann in das gleiche Schulgebäude wie ihre zwei Jahre ältere Schwester käme. Sie freute sich darauf ..., doch es kam alles ganz anders. Wegen der geringen Klassenstärke (14 statt 15 Schüler) wurden die Kinder einfach in einer Schule an einem anderen Ort untergebracht, gegen den Willen aller Eltern. Die ersten Tage hörte ich meine Tochter nachts im Schlaf weinen. Ihre Krankheiten nahmen zu (Erbrechen und Eiweißallergie), genauso wie ihre Fehltage und die Angriffe und Beleidigungen ihrer Klassenkameraden. Sie wurde bespuckt, beleidigt, geschuppst, getreten und ausgelacht. Im Pausenhof war sie von nun an immer allein. Im Klassenzimmer setzten sich alle möglichst weit weg von ihr mit der Begründung, dass sie stinke. Meine Versuche mit dem Klassenlehrer gemeinsam eine Lösung zu finden, schlugen fehl, da er an dem Krankheitszustand zweifelte und von den Angriffen nichts bemerkte. Ich bekam vom zugehörigen Amtsarzt eine terminliche Einladung, der ich Folge zu leisten hatte.
In der sechsten Klasse suchte ich nach Drängen des Rektors Kontakt zur Schulpsychologin. Beim zweiten Treffen drohte sie mir, ich dürfe meine Tochter nicht noch einmal von der Schule abholen, wenn sie mich aus der Schule anriefe und heim möchte, weil sie Schmerzen hätte. „Selbst wenn sie weint oder fleht“. Wenn ich es trotzdem machte, werde sie veranlassen, dass meine Tochter in die geschlossene Anstalt eingeliefert werde. Dass unsere Tochter gemobbt wird, stieß auf taube Ohren. Die letzten Wochen dieses Schuljahres schaffte ich es nicht mehr, sie in die Schule zu bringen.
Die siebte Klasse fand in einer anderen Schule statt. Ihr Klassenlehrer war gleichzeitig auch Rektor der Schule. Er nahm sich ihrer an und versuchte das Mobben zu unterbinden so gut es ging. Da es aber immer wieder auf`s Neue entfachte und ich mich deshalb immer wieder meldete, rechtfertigte er die Situation damit, dass Mobben mit zur Schule gehöre. Und außerdem wurde das Mobbing durch die vielen Fehltage meiner Tochter noch geschürt.
Circa zwei Monate vor Schulende rannte sie morgens vor mir weg, oder versteckte sie sich kurz vor der Abfahrt zur Schule. Erst als ich dem Nervenzusammenbruch nahe war, offenbarte sie mir ihr furchtbares Geheimnis, dass sie über ein Jahr mit sich rumzerrte. Vor ungefähr 1 1/2 Jahren nutzte der Lehrer eines Nebenfaches die Leere des Schulgebäudes am Nachmittagsunterricht und vergewaltigte meine damals 11-jährige Tochter.
Nach mehreren Beratungstagesgesprächen bei einer Hilfsorganisation entschlossen wir uns gegen den Lehrer auf schulischem Wege vorzugehen, da es bei Gericht sonst zu einer Gegenüberstellung kommen würde. Nach dem Leid, das meiner Tochter angetan wurde und woran sie auch immer noch zu knappern hat und vielleicht auch immer haben wird, erschien uns das der bessere Weg zu sein.
Ich habe versucht mich möglichst kurz zu fassen und auf Details zu verzichten. Meine Tochter schreibt sehr viel. Sie kommt auch wieder öfter auf mich zu. Schritt für Schritt werden wir ihr helfen, wieder Gefallen am Leben zu finden, auch wenn das manchmal nicht leicht ist. Doch sie besitzt eine große Familie, davon noch drei ältere Geschwister, die immer für sie da sind.

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