7. November 2008

Rubrik konkret (Ausgabe #47)

Genug des Klagens über das Jugendamt! Laßt uns Taten sehen!

Acht juristisch vorgeschlagene Eckpunkte zur Vorgehensweise mit fehlengagiertem Jugendschutz.

Um der teilweise katastrophalen Jugendamtspraxis in Deutschland Herr zu werden, muß endlich damit angefangen werden, die inzwischen vorhandenen Erkenntnisse in konkrete Praxis umzusetzen und zu diesem Zweck zusammenzuarbeiten. Dazu folgende Eckpunkte ...

1. Geeignete Jugendämter, die sich in einzelnen Fällen durch augenfällige Rechtsverletzungen zu Lasten von Kindern, Jugendlichen und Eltern hervorgetan haben, müssen mit Amtshaftungsprozessen überzogen werden. Diese haben einen dreifachen Vorteil gegenüber den Sorgerechtsverfahren: Sie sind öffentlich statt nichtöffentlich. Sie funktionieren nach der ZPO, also nach dem Recht einander gleichgestellter Bürger, anstatt nach dem FGG, welches das Amtsermittlungsprinzip und damit die Überlegenheit des Richters in der Stoffsammlung und Beweiserhebung voraussetzt. Sie werden von Rechtschutzversicherungen gedeckt, soweit solche vorhanden sind. Amtshaftungsprozesse sind anspruchsvoll, die Erfolgsquote ist nicht berauschend, aber sie schaffen Öffentlichkeit und damit (gerade bei Kommunen als Beklagten) eine gewisse Vergleichsbereitschaft. Die Maßstäbe, an denen sich die Amtspflicht orientiert, ist in den für Jugendämter geltenden rechtlichen und fachlichen Materialien enthalten. Man muß sie nur kennen. Sie sind - wie die Jugendämter selbst - sehr kompliziert und undurchsichtig. Man muß die Zivilrichter, die sich mit so einem Fall zu befassen haben, zunächst einmal aufklären und mit Literatur versorgen. Aber alles ist machbar. man muß es nur wollen. Man braucht aber gar nicht erst damit anzufangen, wenn man den Unterschied zwischen Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren, Hilfegewährung und Amtsvormundschaft nicht kennt. Fängt man aber an, die Jugendamtsakten bzw die nicht vorhandenen Jugendamtsakten auszuwerten, wird man auf eine Fundgrube von Fehlern stoßen, die die Amtshaftungsklage stützen.

2. Verfahrenspfleger müssen auf alle erdenkliche rechtliche Weise bekämpft werden, soweit sie sich nicht nach den fachlichen und rechtlichen Regeln verhalten. Sofern es sich um Rechtsanwälte handelt, müssen sie mit der "Keule" der Strafbarkeit wegen Parteiverrats bedroht werden. Heute erst war ein Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft in der Post. Ich hatte eine Rechtsanwältin, die sich als Verfahrenspflegerin betätigt hat, angezeigt. Das Verfahren wurde letztlich (nur) deswegen eingestellt, weil der Vorsatz nicht nachweisbar sei. Dies ist sozusangen der dezente Hinweis an den Anzeigeerstatter, dass er im Prinzip Recht hat, man aber vor der letzten Konsequenz noch zurückscheut, diese Kollegin vor den Strafrichter zu zerren. Das nächste Ma l also steht diese Kollegin mit einem Fuß im Gefängnis bzw in der Geldstrafe. Denn in einem zweiten vergleichbaren Fall wird sie sich nicht auf fehlenden Vorsatz herausreden können.

3. Ähnliches gilt für Nichtanwälte als Verfahrenspfleger. Auch diesem Personenkreis muss man sich differenziert, aber deutlich nähern. Die Einzelheiten würden zu weit führen. Es gibt aber Mittel und Wege, den Verfahrenspfleger in seine Schranken zu weisen. Notfalls über den Rechtspfleger, der die Vergütung des Verfahrenspflegers zusammenstreichen kann. Außerdem kann jedes Kind sich selbst (zusätzlich) einen Anwalt wählen, der seine Interessen wirklich vertritt und nicht nur so tut als ob. Es gibt eine Reihe von einfachen Fragen, die in der Verhandlung an den Verfahrenspfleger zu stellen sind: Zum Beispiel: Haben Sie mit dem Kind abgesprochen, was Sie da eben gesagt haben?

4. Die Möglichkeiten, die das Recht des Datenschutzes bietet, müssen endlich genutzt werden. Personelle Trennung im Jugendamt, Nichtweitergabe von gerichtlichen Schriftstücken, Nichtanwesenheit der "Jugendamtsmitarbeiterin" im Gerichtssaal sollte durchgesetzt werden. Dann ist der Richter plötzlich allein in der Verhandlung und erinnert sich vielleicht wieder an seine eigentliche Bestimmung: Zu richten statt die Ausführungen des Jugendamts abzunicken.

5. Psychologische oder psychiatrische Gerichtsgutachter gehören nach § 839a BGB belangt bzw sie gehören vor einer familiengerichtlichen Entscheidung, die sie vorbereiten, auf die haftungsrechtlichen Folgen hingewiesen, wenn sie Unsinn produzieren. Ein Netzwerk kompetenter Gegengutachter muß im Hintergrund stehen, bereit, schnell und pointiert Expertisen abzugeben. Bevor ein Gutachter überhaupt Hand an die Familie legt, muß ihm klargemacht werden, dass er nicht folgenlos irgendwelchen Murks wird produzieren können. Dem Gericht muß klargemacht werden, welche bestrittenen Tatsachen vorher im Wege der Beweiserhebung im Gerichtssaal gekärt werden müssen, bevor der Gutachter seine Anknüpfungstatsachen nach Gutdünken festlegt.

6. Vormundschaftsgerichtliche und verwaltungsgerichtliche Maßnahmen müssen in geeigneten Fällen parallel zum familiengerichtlichen Verfahren anhängig gemacht werden. Bei Heimunterbringung beispielsweise braucht sich die Mutter keineswegs kampflos das Kindergeld abknöpfen zu lassen. Das Verwaltungsgericht prüft, im Gegensatz zum Familiengericht, die Rechtmäßigkeit der Hilfegewährung detailliert.

7. Es soll auch schon ältere Kinder oder Jugendliche gegeben haben, die aus dem Heim oder aus der Psychiatrie ausgerissen sind. Wo sowas nicht möglich ist, weil die Türen ständig versperrt sind, ist an Freiheitsberaubung zu denken, wenn ein Beschluss nach § 1631b BGB fehlt. Auch ein solcher Fall wird hier in der Kanzlei bearbeitet. Die Ermittlungsakte gegen die Jugendamtsmitarbeiterin ist jetzt 500 Seiten stark, die Jugendamtsmitarbeiterin wurde bereits von der Staatsanwaltschaft vernommen und krebst auch irgendwo zwischen "nicht gewußt", "nicht gewollt" und mangelndem Vorsatz herum.

8. Der Anwalt sollte in geeigneten Fällen ein eigenes Hilfesystem mit freien Trägern der Jugendhilfe installieren oder initiieren können, wenn das Jugendamt sich auf seine Rolle als Helfer des Gerichts zurückzieht oder wenn ein Machtkampf mit dem JA ausgebrochen ist, in dem nichts mehr vorangeht.

Und und und... All diese Maßnahmen sind keine Garantie für einen schnellen Erfolg. Aber solange die Prozessbeteiligten und vor allem ihre Anwälte alles mit sich machen lassen und von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, wird die Zahl der Jugendamtsübergriffe auch nicht signifikant abnehmen. Fragen Sie mal herum, ob die beteiligten Anwälte in den im Internet kursierenden Kinderklauverfahren sich überhaupt jemals sämtliche Jugendamtsakten haben vorlegen lassen oder ob sie wenigstens einen Kommentar zum SGB VIII im Schrank stehen haben.

Anmerkung: Der Autor, zu dem gerne jederzeit Kontakt hergestellt werden kann, ist Dipl. Pädagoge und außerdem Fachanwalt für Familienrecht.

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