18. Januar 2008

Vom Schulzwang zur Zwangsschule

Da weist also das höchste deutsche Gericht eine Beschwerde von Eltern ab mit der Begründung: "Der teilweise Entzug des elterlichen Sorgerechts ist rechtens, wenn Kinder aus religiösen Gründen nicht zur Schule geschickt und zu Hause unterrichtet werden." Schon vor einigen Jahren hat ein Hamburger Gericht ähnlich argumentiert, als Eltern ihr Kind vor dem Sexualkundeunterricht verschonen wollten. In der Presse wurde das Urteil bejubelt, denn es gehe um "Bejahung von Aufklärung, Freiheit und Eigenverantwortlichkeit".

Aber wo ist in unserem Erziehungssystem Freiheit zu finden? Dass der Staat Ausbildungsmöglichkeiten für jedermann bereitstellt und auch dafür sorgt, dass Kinder nicht verwahrlosen, ist richtig. Was aber soll der von den meisten Staatsbürgern schon gar nicht mehr wahrgenommene Zwang zu einer Standard-Stanzung?

Wie freiheitlich sind die Vereinigten Staaten, wo die Eltern nur eine nachprüfbare Ausbildung ihrer Kinder nachweisen müssen, ansonsten aber über Ort und Lehrplan in weiten Grenzen bestimmen können! Hier dagegen beginnt der Staat seine Krakenarme schon ins Kleinkind-Alter auszustrecken.

„Die Kenntnis der menschlichen Sexualtität sei Voraussetzung für ein verantwortungsbewusstes Verhalten sich selbst, dem Partner, der Familie und der Gesellschaft gegenüber.“ Hier wird exemplarisch verdeutlicht, wie die Aufklärung über die Verherrlichung der losgelösten Vernunft zur Vergöttlichung der Objektivierung führt und dann verschult wird. In unseren nach Geburtsjahrgängen zwangsweise vorsortierten „Klassen“ ist es doch schon ein Problem, dass es Frühstarter und Spätzünder gibt, wobei beiden Gewalt angetan wird.

Wenn dekretiert wird, dass zu einem kalten, außerhalb seiner leiblich-emotionalen Entwicklung liegenden Zeitpunkt im Leben eines jungen Menschen die Sexualaufklärung zu „erfolgen“" hat, dann ist das von schauerlicher Insensibilität und grenzt schon an Misshandlung. Wo bleibt denn die großartig reklamierte Eigenverantwortlichkeit? Wenn die Eltern sie nicht haben, wer dann sonst? Die Kinder müssen sie ja erst mühsam lernen. Ein angesetzter Handwerkerkurs in Sexualität wird wohl kaum dazu beitragen.

Übrigens sind doch die Eltern die gleichen Leute, die „eigenverantwortlich“ ihre Regierung demokratisch wählen. Und wann und wie sie ihren Kindern das Wunder der Spannung zwischen Mann und Frau nahe bringen, sollte doch auch ihrer Eigenverantwortlichkeit unterliegen. Oder beißt sich da die Schlange in den Schwanz? Weil sie ihre Kinder nicht richtig erziehen können, werden sie wohl auch nicht richtig wählen können? Also müssen „wir“, wer auch immer das ist, das in die Hand nehmen. Ende der Eigenverantwortlichkeit.

„Die Allgemeinheit habe ein berechtigtes Interesse daran, religiösen oder weltan­schaulichen Parallelgesellschaften entgegenzuwirken und Minderheiten auf diesem Gebiet zu integrieren.“ Wirklich? Frühere Systeme waren da offensichtlich freiheitlicher. So konnten zum Beispiel die Juden durch Jahrhunderte in ihren Ghettos (jiddisch: Schtedl = Städtchen = Bor­ghetto, das heißt kleine Burg) ihre eigene Religion und Kultur leben und letztlich dadurch überleben, das heißt sie sind nicht durch Assimilierung verschwunden. Sie fühlten sich darin normalerweise nicht eingeschlossen, sondern es war ihr Zuhause, wo man ja auch die Tür abschließt, um seine Ruhe zu haben.

Ich hoffe, dass meine Überlegungen nicht übertrieben aufklärerisch sind, indem ich mir die Freiheit genommen habe, auf die Eigenverantwortlichkeit des Staats­bürgers, hier der Eltern, hinzuweisen, die der Hammer des Richters nur zu leicht platt schlägt. Unsere Gerichtsbarkeit scheint dem Demos, das heißt seinem Volk, nicht all zu viel zuzutrauen.

Hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Verfassers. Vielen Dank für die klaren Worte!

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