15. August 2008

Leserechos #35

Lieber Herr Edel, ... 
Wenn Eltern für eine adäquate Unterrichtung sorgen möchten, die einem nachweislich begabten Kind eine bessere Bildung als einen schlechten Hauptschulabschluss mit Legastheniebescheinigung bietet, ist das eine ausgrenzende Kindeswohlgefährdung, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dass kinderpsychiatrisch vom Landesarzt festgestellt wurde, dass das Kind kognitiv eh ausgegrenzt war und der Schulunterricht es deshalb krank machte, und dass aufgrund des absehbaren Bildungsmangels zu befürchten war, dass es auch nach der Schule gesellschaftlich ausgegrenzt sein würde, ist irrelevant. Dafür gibt es dann ja die vom Jugendamt bezahlte Psychotherapie. Es ist nicht verboten, vermeidbar die Parallelgesellschaft der funktionalen Analphabeten zu produzieren. Irgendwer muss ja die Ein-Euro-Arbeiten machen, und da müssen sich die dafür auserkorenen Kinder rechtzeitig dran gewöhnen, wo sie hingehören!!! DAS ist Kindeswohl im deutschen Sinne. Hier in England wohnen wir bei einer anderen Home-Ed-Familie zur Untermiete. Da Home-Education recht verbreitet ist, gibt es zahlreiche Gruppen, die sich mehr oder weniger regelmäßig treffen - zum gemeinsamen Unterricht in bestimmten Fächern bei einem "private Tutor" bis hin zu Kegelnachmittagen und Spieleabenden. Zumindest in unserem Umfeld spielen religiöse Gründe eine recht marginale Rolle für die Home-Education - wir kennen eine einzige Familie. (Und die sondert sich nicht ab!) Wir kennen aber viele, bei denen die Kinder in irgendeiner Hinsicht nicht der Norm entsprechen und die deshalb akademische oder psychische Probleme in der Schule hatten: Legasthenie, ADHS, XYY, Asperger-Syndrom, Minderbegabung, Hochbegabung. Außerdem "Unschooler", bei denen die Kinder sich selbst entschieden haben, lieber daheim nach eigenen Interessen zu lernen, oder bei denen Eltern diese Bildungsform einfach schöner fanden, anstatt die Verantwortung dem Staat abzugeben. Kurz: eine buntere Mischung als auf solchen Home-Ed-Treffen kann man sich kaum vorstellen. Soviel also zu "Parallelgesellschaften". Dagegen haben die Schülerzusammensetzung, das soziale Umfeld und zu einem beträchtlichen Teil auch die Bildungsinhalte des katholischen Mädchengymnasiums, das unsere Tochter besuchte, und der lokalen Sprengelhauptschule, die unser Sohn besuchte, ziemlich wenig miteinander gemeinsam. Wenn die Schulbehörden und Gerichte in Deutschland nach "Parallelgesellschaften" suchen, brauchen sie nur in unser gegliedertes Schulsystem zu schauen. Neulich war in der Wochenend-Beilage der Financial Times ein sehr positiver Bericht über Home-Education in England - und zwei Artikel weiter war ein Bericht darüber, dass in Deutschland ökonomische Probleme drohen, weil die Deutschen so wenig Kinder kriegen und deshalb Einwanderer suchen (natürlich jung und gut ausgebildet), und dass für die Integration der Einwanderer, die da sind, aber so wenig getan wird, dass nur ein vernachlässigbarer Bruchteil der Ausländerkinder, die in Deutschland zur Schule gehen, es bis auf eine Uni schaffen; dagegen ein hoher Prozentsatz die Schule ohne Abschluss verlässt. Soviel zur Realität der vielbeschworenen "Vermeidung von Parallelgesellschaften". Mit freundlichen Grüßen, I.S.


Sehr geehrter Herr Edel, ich hatte gestern keinen Newsletter mehr von Ihnen erhalten. Das hat mich etwas gewundert, da ich Sie einen Tag vorher in einer anderen Angelegenheit kontaktiert habe. Ich hoffe nicht, dass beide Angelegenheiten in einem Zusammenhang stehen? Freundliche Grüsse aus der Schweiz, S.M.

Nein, nein. Keine Sorge. Ich werde nur nicht mehr jede Woche einen Rundbrief herausbringen, zumal Ferienzeit ist. Beste Grüße in die Schweiz, Jan Edel

Sehr geehrter Herr Edel, dann bin ich beruhigt. Ich finde Ihren Newsletter sehr interessant und stehe auch mit anderen „Kämpfern“ in Deutschland in Kontakt. Freundliche Grüsse, S.M.


Vielen Dank für Ihre Infos. Sie sind Ermutigung und sehr aufklärend.
Möchte Sie anfragen, ob Sie wissen, wo ich in der PISA-Studie die Passage finde, dass sozial Kinder die aus Ländern stammen, wo man früh in den Hort geht und gleich anschliessend ins Schulsystem eingegliedert wird, die Entwicklung rückständig ist. Schulleistungen gut, sozial aber schlechtes, schwaches Verhalten.
Vielleicht wissen Sie das. Besten Dank jedenfalls für Ihre Bemühungen.
Freundliche Grüsse M.B.

Hallo, ich habe bei einer oberflächlichen Suche gerade nichts gefunden, tut mir Leid.
Es gibt aber eine Studie, die größer Aggression und Bindungsschwierigkeiten bei Kindern und Jugendlichen nachweist, wenn diese in Kinderkrippen und Horten untergebracht/erzogen wurden. Die  Studie hat m.E. das Familiennetzwerk mit Frau Steuer in Auftrag gegeben (www.familie-ist-zukunft.de).
Beste Grüße,
Jan Edel


Lieber Herr Edel, zurecht vermuten Sie, dass der Ganztagszwang, der schleichend an Schulen eingeführt werden soll und in Hamburg an den Gymnasien schon  seit vier Jahren von der bundesdeutschen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt schon eingeführt ist, Kindern nicht nachweislich nützt.
Im Gegenteil, die einzige diesbezügliche gründliche Studie zur "Wirkung ganztägigen Schulforganisation" von Professor Klieme und Radisch des Deutschen Instituts für internationale Pädagogische Studien von 2004 kommt zu dem Egebnis, dass die
"Die Ganztagsorganisation als solche... im allgemeinen keine Auswirkungen
auf das Leistungsniveau der Schulen" hat. Und weiter :
"Möglicherweise hat eine Verlängerungaktiver Lernzeit in der Schule einen gewissen positiven Effekt auf die kognitiven Fä-higkeiten lernschwacher Schüler,  WÄHREND DER WEFFALL ELTERLICHER UNTERSTÜTZUNG BEI SOZIAL HÖHER GESTELLTEN FAMILIEN NEGATIV ZU BUCHE SCHLÄGT, beides zusammen kann eine Nivellierung im Leistungsbereich bewirken."
Besonders auffällig sind demnach die negativen Auswirkungen von Ganztagsschule bei Gesamtschulen:
"An Gesamtschulen schneiden die Schüler von ganztägig geführten Schulen durchschnittlich
sogar etwas schlechter ab als Schüler an halbtägig geführten Schulen dieser
Schulform (vgl. Lehmann 2002, S. 3)"
Die Ganztagsschule dient also tatsächlich wirtschaftlichen und vor allem ideologischen Zwecken: Denn auf die Studie habe ich seit Jahren immer wieder alle verantwortlichen Schulpolitiker in Hamburg hingewiesen. Sie ist dort wohlbekannt. Viele Grüße M.K.
Hi! Ich bin jetzt schon 15, werde nächstes Jahr 16.
Von der Schulpflicht bin ich befreit ab der 9. Klasse. Wahrscheinlich auch mit 16. Aber danach kommt ja die Berufsschulpflicht. Was ist denn besser? Wenn man sagt, dass die Eltern wollen das man zur Schule geht, oder wenn die Eltern auch dafür sind?
Ich möchte halt nicht, das die mich dann jeden Tag mit der Polizei chauffieren…
LG V.

Keine Sorge, welche, die mit der Polizei chauffiert werden müssten, davon gibt es ca. 500.000 in Deutschland. Täglich. Dass wäre viel zu teuer.
Vielleicht bringen sie Dich ein oder höchstens zweimal. Danach müsstest Du schon alleine wollen, denn der Staat ist ja kein Taxiunternehmen.
Berufsschulpflicht kann ja auch über ein Berufsschulzentrum erfüllt werden. Dort braucht man nicht mal einen Schulabschluss. Aber das ist dann ein anderes Thema. Und auch eine andere Behörde (Ich glaube Gewerbeaufsicht). Erkundige Dich über Berufschulzentren, Berufskollegs (an denen man auch Abi ablegen kann) und mach Dir darüber erst Sorgen, wenn Du dann 16 bist.
Das mit den Eltern müsst ihr zusammen absprechen. Wenn die Eltern sagen, sie wollen ja, dass Du zur Schule gehst und Du gehst einfach nicht, dann könnte es sein, dass das Schulamt irgendwann das Jugendamt einschaltet und dass die dann eine Erziehungshilfe für Dich anbieten. An der Stelle könntest Du dann die Flex-Fernschule vorschlagen, sozusagen als Notlösung.
Alles klar?
LG J.

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