19. September 2008

Leserechos (Ausgabe #40)

Sehr geehrte Damen und Herren, herzlichen Dank für Ihre sehr informative Website!
Ich habe jetzt alles durchgelesen und mich würde sehr interessieren, wie der von Dr. Reichert duchgeführte Rechtsstreit in Straßburg ausgegangen ist.
Und dann fand ich das Interview mit Jan Edel sehr aufschlussreich - es hat mir sozusagen aus der Seele gesprochen. Wie hat es der Interviewte geschafft, drei seiner Kinder in Deutschland homezuschoolen??? Gibt es da einen juristischen Trick? Wenn ja, dann würde ich ihn gerne anwenden.
Ich bin begeistert von der Idee des Homeschoolings und der festen Überzeugung, dass das Homeschoolen bei harmonischer Familiensituation die optimale Lernmöglichkeit für Kinder ist. Diese Überzeugung habe ich allerdings erst durch einen "Blick über den Tellerrand" bekommen.
Mein Mann und ich wohnen mit unseren Kindern (4, 7 und 8 Jahre) seit zwei Jahren in den USA (Florida). Unsere Kinder besuchen seit 2006 die öffentliche Grundschule bzw. unser Kleiner einen Kindergarten. In weiteren zwei Jahren werden wir voraussichtlich wieder zurück nach Deutschland kommen.
Seit einiger Zeit überlege ich, die Kinder homezuschoolen - dies aus reiner Überzeugung, nicht weil eines der Kinder Probleme sozialer oder intellektueller Art in Kindergarten bzw. Schule hätte - im Gegenteil.
Mich würde in diesem Zusammenhang sehr interessieren, ob ich die Kinder einfach so aus der amerikansichen Schule nehmen und homeschoolen kann. Ist dies mit deutschem Recht vereinbar? Während in Deutschland diese Vorgehensweise rechtswidrig wäre, gibt es vielleicht einen Unterschied darin, dass wir jetzt für (begrenzte Zeit) in den USA leben?
Die deutschen Schulen haben mit unserem Umzug zunächst einen Nachweis gefordert, dass die Kinder hier zur Schule gehen. Den habe ich ihnen geschickt. Weitere Nachweise sind nicht verlangt worden.
Wissen Sie, ob offizielle Zeugnisse der amerikanischen Schule gefordert werden, wenn wir 2010 zurück nach Deutschland kommen? Unser ältester Sohn würde ja sofort auf die weiterführende Schule gehen (müssen), hat aber natürlich keine "Empfehlung" dafür.
Eine Notlösung wäre für mich, dass sich die Kinder hier ein in deutschen Schulen anerkanntes Zeugnis einer Fernschule erarbeiten, während sie dann aber komplett zu Hause blieben, also nicht hier auch noch die Ganztagsschule besuchen würden. Müssen die Kinder dann das "Vollprogramm" (Deutsch, Mathematik und Sachkunde) absolvieren oder reicht ein Fach zur Erlangung eines anerkannten Zeugnisses aus?
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir hier weiterhelfen könnten.
Herzliche Grüße aus dem ausnahmsweise sehr regnerischen Florida A. S.
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Hallo Frau S., erstmal vielen Dank für Ihr Interesse, Ihr Lob und das Feedback.
Wir pflegen einen Rundbrief, auf dessen Verteiler ich Sie gerne nehmen würde (s.u.). Außerdem würde ich, wenn Sie nichts dagegen haben, Teile oder alles Ihrer Mail gerne im Rundbrief und damit im Internet weiterverteilen, anonymisiert natürlich.
Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen:
Alle juristischen Auseinandersetzungen, auch die von Dr. Reichert geführten, sind bisher leider erfolglos gewesen. Tenor: Deutschland habe im Rahmen der Schulpflicht "ein berechtigtes Interesse" an der Vorbeugung von Parallelgesellschaften und außerdem das Recht, für das Recht auf Bildung den Regelschulbesuch zu fordern. Na ja, so ähnlich.
Dank intensiver Bemühungen gibt es in Deutschland vereinzelt Fälle, wo Homeschooling als illegal geltend geduldet wird. Das hängt vom Bundesland und auch vom Einzelfall ab. Die Regel sind Androhungen von Sorgerechtsentzug, Zwangsgeldern und anderen Zwangsmaßnahmen bis hin zu Gefängnis (in Hessen). Wir selbst haben uns gerade so über die Grundschulzeit retten können und wollten dann aber sowieso einschulen. Das erste Kind wurde 4 Wochen vor dem Ende des 4. Schuljahres auf eine private Grundschule eingeschult, um die notwendige Gymnasialempfehlung zu erhalten. Das zweite Kind musste nur einen Test über sich ergehen lassen, quasi als Aufnahmeprüfung zu dem Gymnasium, in dem das erste Kind nun ein Jahr lang angenehm bekannt war. Das dritte Kind wurde zur Zeit der angedrohten Zwangsmaßnahmen in die 2. Klasse eingeschult, ist dann gleich 2 Mal gesprungen und hat auf diese Weise seine Gymnasialempfehlung bekommen. Weil dieses Kind dann erst 8 war, haben wir es aber noch einmal für ein Schuljahr frei lernen lassen. Zu diesem Zweck haben Mutter und Kind den offiziellen Wohnsitz ins Ausland verlegt.
Ihre weiteren Fragen sind mir nicht ganz klar. Sie wissen ja, dass auch für deutsche Kinder die Schulpflicht, die ja bekanntlich als Schulbesuchszwang ausgelegt wird, nur für Kinder gilt, die auch einen Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt) in Deutschland haben.
In Florida stehen Ihnen alle Möglichkeiten offen, auch und besonders als Deutsche. Es gibt auch in Florida ein paar Homeschooling-Organisationen. Das auswärtige Amt in Deutschland würde Ihnen für die Grundschulzeit die Deutsche Fernschule empfehlen, die leider auch noch recht teuer ist. Der deutschen Schulpflicht jedenfalls unterliegen Ihre Kinder nicht. Mit 10 oder 11 Jahren zurück in Deutschland müssten Ihre Kinder ohne eine vorliegende Empfehlung wohl zunächst an einer Haupt- oder Gesamtschule angemeldet werden. Theoretisch ist das deutsche Schulwesen aber sehr durchlässig, d.h. einem Wechsel stünde bei bestätigten Leistungen nichts im Wege. Viele liebe Grüße ins schöne Florida, Jan Edel
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Hallo Herr Edel, ganz herzlichen Dank für Ihre prompte und sehr hilfreiche Antwort!
Mein Mann und ich waren unsicher, ob wir die Kinder hier zu Hause unterrichten dürfen, weil die deutsche Schulbehörde nach unserem Wegzug von uns einen Nachweis wollte, dass wir die Kinder auf eine amerikanische Schule schicken. So haben wir befürchtet, dass sie auch ein Zeugnis der amerikanischen Schule sehen wollen, wenn wir wieder zurückkommen. Umso mehr haben wir uns über Ihre positive Nachricht gefreut!
Sehr aufschlussreich war auch Ihre Bemerkung, dass unser Sohn - sobald wir wieder nach Deutschland zurückkommen - in die Hauptschule bzw. Gesamtschule eingeschult würde, da es an einer anderweitigen Empfehlung  einer deutschen Schule fehlt. Das würde dem Wissensstand des Kindes aber diametral entgegenstehen und sicherlich demotivierend wirken.
Gegebenenfalls gestalten wir den Umzug derart, dass auch unsere Kinder die Möglichkeit haben, noch ein paar Monate oder sogar wie in Ihrem Fall nur vier Wochen eine Privatschule zu besuchen, um die entsprechende Empfehlung zu erhalten. Können Sie mir eine Privatschule empfehlen, die uns unterstützen würde? Eine andere Möglichkeit wäre sicherlich eine Absprache mit der Deutschen Fernschule.
Selbstverständlich können Sie die vollständige E-mail oder Auszüge hieraus anonymisiert für Ihr Internetportal benutzen. (Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mich um stilistische Verbesserungen bemüht...)
Ich freue mich, wenn Sie mich in Ihren newsletter-Verteiler aufnehmen. Vielen Dank!
Beinhaltet das von Ihnen publizierte Buch Tipps und Ideen zur Gestaltung des Homeschoolings? Als Greenhorn auf diesem Gebiet freue ich mich über jede Anregung zu diesem Thema.
Zum Abschluss möchte ich Sie gerne auf eine statistische Ungenauigkeit der in den USA erfassten zu Hause unterrichteten Schüler hinweisen. Es wird allgemein davon gesprochen, dass 4 % der Kinder in den USA zu Hause unterrichtet werden.
Das ist aber so nicht richtig, weil in der Statistik solche Schüler nicht erfasst werden, die zwar zu Hause unterrichtet, aber ein oder zwei Vormittage in einer sog. campus-based school unterrichtet werden. Dies sind Schulen meist christlicher Trägerschaft, die extra für zu Hause unterrichtete Kinder errichtet wurden. Ich habe keinen Überblick über die Anzahl der dort unterrichteten Kinder, weiß aber, dass alleine in Orlando drei Schulen existieren, die diesen stark verkürzten Unterricht anbieten. Es gibt also viel mehr Schüler, die zu Hause unterrichtet werden... (Für uns ist dies keine Alternative, weil ich die Kinder täglich zwei Stunden "kutschieren" müsste...) Es grüßt sie ganz herzlich aus dem inzwischen wieder sonnigen Florida A. S.
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Hallo Frau S., danke für Ihr Feedback. Mein Buch enthält relativ wenig Beschreibungen für die Praxis, weil es eher als Argumentationshilfe gegenüber Behörden und Politikern konzipiert ist.
Im Amerikanischen gibt es aber auch eine Menge geeigneter Bücher. Ins Deutsche übertragen ist z.B. das Buch von Grace Llewellyn: "Das Teenager-Befreiungs-Handbuch. Glücklich und erfolgreich ohne Schule", Genius Verlag (www.homeschooling.de/news/news10.htm ).
Übrigens, die Frage der deutschen Schulbehörden nach einer Anmeldung im Ausland hätten Sie keinesfalls beantworten müssen. Rechtlich untragbar, bzw. juristisch überhaupt nicht vorgesehen, also reine Schikane oder bestenfalls mal wieder übertriebene Fürsorge.
Wenn Sie nach D zurückziehen, muss man sich um das Wohl der Kinder kümmern und eine "angemessene Beschulung" finden. Mindestens die zugeordnete Pflichtgrundschule muss dann nach ein paar Wochen eine, vielleicht etwas eingeschränkte Empfehlung abgeben oder das Schulamt organisiert eine Aufnahmeprüfung. Immerhin haben Sie in den USA mit Homeschooling ja nichts falsch gemacht und niemand darf Ihnen etwas vorwerfen. Beste Grüße, Jan Edel
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Hallo Herr Edel, vielen Dank für Ihren Buchtipp! Ich bin für jede Anregung dankbar!
Mein Mann und ich empfanden es als sehr traurig, mit welchen Hindernissen Sie und viele andere Familien in Deutschland zu kämpfen hatten und haben, nur um Ihre Kinder zu Hause unterrichten zu können.
Dass Sie und Ihre Frau das zumindest für drei Kinder durchgehalten haben, finden wir ganz toll. Sieht man den Werdegang Ihrer Kinder und die Tatsache, dass sie in den Schulen (und sicher auch im sonstigen sozialen Umfeld) angenehm auffallen, ist das einfach begeisternd und zeigt, dass Sie für sich den richtigen Weg gewählt haben. Auf unsere Homeschoolingerfahrungen bin ich gespannt. Herzliche Grüße A.S.


Lieber Herr Edel, Dank für Ihre so wichtige Arbeit! Hier ein Hinweis, wie in unserer Republik BIlDUNGSFREIHEIT unterlaufen wird: Eltern, die Ihre Fünfjährigen für den Schubesuch im nächsten Jahr anmelden, werden gefragt, ob das Kind einen Kindergarten besucht hat. Verneinen sie diese Frage, wird das Kind lang sich hinziehenden Testungen besonderer Art unterzogen, haben mir zwei Mütter eine aus Rheinland-Pfalz und eine aus Baden-Würtemberg berichtet.
Anne Will gestern: Am Thema vollständig vorbei! Die Frage nach den Gründen dafür, dass Eltern in private Schulen und mit ihren Schulkindern ins Ausland flüchten, taucht nicht einmal auf! Freundlichst C. M.

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