12. September 2008

Story: Der Törn ihres Lebens

Der Sprung ist gewaltig – und er brauchte seine Zeit: Dagmar de Zwart unternahm mit Anfang 20 ihre ersten maritimen „Gehversuchen“ auf dem Aasee. 20 Jahre später brach die gebürtige Münsteranerin mit Ehemann Bart und der sechsjährigen Tochter Soleil zu einer Weltumseglung auf, die sie in den folgenden drei Jahren zu tropischen Paradiesen und archaischen Landschaften führen sollte. Es war der Törn ihres Lebens.

„Mein Mann kommt aus einer holländischen Familie mit einer langen Segel- und Surftradition. Es war immer sein Traum, einmal die Welt zu umsegeln“, erzählt Dagmar de Zwart, die 1963 als Tochter von Marga und Günther Welp in Münster geboren wurde. 2005 wurde aus dem Wunsch Wirklichkeit: „Es war der richtige Zeitpunkt, um sich den Traum zu verwirklichen. Wir standen zwischen zwei Jobs. Und unsere Tochter war noch im Grundschulalter.“

Am 5. Oktober 2005 hieß es dann „Leinen los“. Von Ijmudien in Holland segelten Dagmar, Bart und Soleil in Richtung Portugal, ihrem ersten Reiseziel. Das Trio war spät dran. Im Oktober muss man auf hoher See bereits mit Herbststürmen rechnen. „Es hat auch nicht lange gedauert“, erinnert sich die 45-Jährige. „Im Golf von Biscaya hat uns ein heftiger Sturm mit 55 Knoten erwischt. Über uns krachte eine Welle nach der anderen zusammen. Ich hab’ mich zusammen mit Soleil unter Deck verkrochen.“ Boot und Mannschaft überstanden die erste Herausforderung gut. Die „Luna“, ein knapp 15 Meter langer Trintello-Zweimaster mit drei Kabinen, erwies sich als robust und Bart (37) als exzellenter Skipper. Eine unruhige Nacht, für die ein schönes Frühstück mit Müsli und Obst entschädigte. Mittags stand häufig Fisch auf dem Speiseplan. Thunfisch oder Goldmakrele – natürlich selber gefangen.
Mit 19 Tagen gehörte die Atlantik-Überquerung zu den längsten Einzel-Etappen. Der locker strukturierte Alltag auf dem Boot sorgte dafür, dass niemand einen „Lagerkoller“ erlitt. Morgens ging Soleil zur Schule – unter Deck. Dagmar de Zwart unterrichtete ihre Tochter in Mathe, Sprachen, Bio, Chemie, Physik, Geschichte, Kunst, Schreiben, Lesen und Poesie. Dreieinhalb bis vier Stunden täglich. Homeschooling-Unterlagen, die sich die gebürtige Münsteranerin vorher in den USA besorgt hatte, bildeten hierfür die Grundlage. De Zwart: „Das hat wunderbar geklappt. Ich habe gerade das vierte Schuljahr mit Soleil abgeschlossen.“ Nachmittags vertrieb sich das Trio mit Lesen, Musik, Eintragungen ins Tagebuch oder der Pflege der Website die Zeit.

Karibik, Venezuela, Panama, Galapagos-Inseln, Französisch-Polynesien, Tahiti und Tonga waren die weiteren Stationen des deutsch-niederländischen Trios. Im September 2006 warfen sie in Neuseeland Anker. Sechs Monate blieb die Familie dort, um die Hurrikan-Saison abzuwarten. Im April stach die „Luna“ wieder in See. Über die Salomon-Inseln, Papua-Neuguinea, Australien, Indonesien, den Malediven, dem Jemen und Ägypten näherte man sich langsam wieder Europa.
Neben der landschaftlichen Einmaligkeit jedes Landes waren es vor allem die Menschen, die einen tiefen Eindruck bei Dagmar de Zwart hinterließen: „Wir sind immer wieder nach Hause eingeladen worden und haben so sehr intensiv erfahren, wie andere Familien leben. In Santa Ana auf den Salomon-Inseln haben wir erlebt, wie naturbelassen dieses Volk noch heute lebt. Die Lebensfreude dieser Menschen war unglaublich.“
1025 Tage, in denen sie 36 Länder und 102 Inseln gesehen haben, lagen hinter Dagmar, Bart und Soleil de Zwart, als sie im Sommer wieder in den Heimathafen Scheveningen in den Niederlanden einliefen. Die 45-Jährige ist immer noch von ihren Gefühlen überwältigt, wenn sie an diesen Moment denkt: „Meine Knie haben gezittert, ich habe geheult wie ein Schlosshund. Da merkt man erst, was man geleistet hat. Wir sind um die Welt gesegelt – und das als Familie. Das war einmalig.“

Quelle: IVZ Online am 11.09.2008

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