4. Mai 2008

Familien und Kinder - Novelle §1666 BGB

Aufgrund der Mail- und Faxaktion von letzter Woche zur Novelle des §1666 BGB hat es viele beschwichtigende (meist standardisierte) Antworten von Bundestagsabgeordneten gegeben. Im Gegenzug hier ein Beispiel eines Nachhakens:

Sehr geehrte Frau Lambrecht,
vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 25.04.2008 zur Novelle der §§1666ff BGB. 
Soweit Sie ausführen, sind mir die Hintergründe für den Gesetzesentwurf bestens bekannt (und das Gesetz damit natürlich auch verständlich).
Was ich aber beanstande ist Folgendes:

1. Mit den Erleichterungen wird weiterer Willkür Tor und Tür geöffnet. Willkür, mit der man schon ohne dieses Gesetz genug zu kämpfen hat, wenn es um Eingriffe in das elterliche Sorgerechts geht (Ich rede aus der Erfahrung vielfältiger Beobachtung von Fällen).

2. Ihnen ist bei den Erläuterungen zum Gesetz offensichtlich entgangen, dass es rechtlich bereits reichlich Gelegenheit gibt, in verschiedener Weise vorzubeugen und in das Sorgerecht der Eltern einzugreifen. Das steht sogar in den Erläuterungen zum Gesetz. Gesetzliche Änderungen zur Beschleunigung der Verfahren führen also eher zu Irrtümern. Verbesserung zum Wohl der Familien ergäbe daher bestenfalls nur mehr Unabhängigkeit und eine personell bessere Ausstattung der Instanzen.

3. Vor allem scheinen Sie nicht durchschaut zu haben, dass auch die letzte Konsequenz, der Sorgerechtsentzug nun aufgrund eines einfachen Gutachtens eines Lehrers oder eines Mitarbeiters des Jugendamtes durchgeführt werden kann!! Ein etwas objektiveres Gutachten eines Arztes/Psychiaters mit entsprechenden Testungen ist nun überhaupt nicht mehr nötig.

4. Das neue Gesetz vernachlässigt in unzumutbarer Weise, klar die Maßstäbe für "Kindeswohl" bzw. seine Gefährdung zu definieren. Wo sind die Grenzen für Kindeswohlgefährdung??? In Anlehnung an internationale Maßstäbe kann es z.B. bloße oder besonders begründete Verweigerung eines Schulbesuchs NICHT sein. In keinem Land der Welt sonst gibt es Schulbesuchszwang, denn es werden vielfältige Bildungsalternativen akzeptiert. (Ich würde Sie eingehend darüber informieren können, wenn Sie wollten).

5. Mit dem neuen Gesetz wird in einzigartiger Weise die Durchsetzung der Schulpflicht auf Bundesgesetzebene genannt, wo sie wegen der Länderkompetenz keinesfalls hingehört. Das neue Gesetz wurde also auf Kompetenzüberschreitung hin NICHT überprüft und steht so im Konflikt mit dem Gesetzgeber auf Länderebene, der das Recht und die Möglichkeit behalten sollte, die Schulpflicht z.B. als Bildungspflicht für Eltern zu begreifen und verschiedene Möglichkeiten des Bildungserwerbs OHNE oder mit eingeschränktem Schulbesuch zu entwickeln.

Alles in allem haben Sie mich durch Ihr Schreiben in keiner Weise darüber hinwegtäuschen können, dass mit dem neuen Gesetz nun nicht auch härtere Eingriffe "erleichtert" stattfinden können. Eindeutige Grenzen für Kindeswohl und dessen Gefährdung hätten das neue Gesetz gut und unspektakulär werden lassen. So wie es jetzt formuliert und erklärt wird, kann dem jugendamtlichen Missbrauch (und den gibt es in Deutschland in einzigartiger Weise) und dem unterstellenden Irrtum von Lehrern und Nachbarn nicht besser Einhalt geboten werden. Theoretisch kann nun jeder herkommen und Sie, statt Sie als Freund und Nachbar zu beraten, anzeigen, weil Sie aufgrund Ihrer Reisetätigkeit und Ihres außerfamiliären Engagement im Bundestag ihr Kind vernachlässigen. Man könnte behaupten, Ihr Kind könnte in einer Wochenkrippe besser "gefördert" werden und das Gutachten eines befreundeten Pädagogen reichte aus, Ihr Kind der Obhut des Jugendamtes zu übergeben. Bitte lesen Sie hierzu die versteckten Details und Auslassungen im Gesetzentwurf genau nach. Für mich bleibt das ganze Ding ein zum Papiertiger getarnter Wolf im Schafspelz, der in der Öffentlichkeit mit einem (lange vorbereiteten) Lügenkorsett fein gemacht wurde - ganz bewusst oder unwissend.

Über eine dialogische, in der Sache durchdachte Antwort würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen,
Jan Edel

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