15. August 2008

Schulversagen ... ist das Versagen der Schulpolitik, nicht der Schüler (#35)

Die folgende Studie des Bildungsministeriums von 2001 verleitete schon damals zu der Annahme, dass das Bildungssystem nun radikal verändert werden müßte. Getan hat sich leider immer noch nichts Wesentliches. Die Studie hat wahrscheinlich kaum einer gelesen.
Hier sind die wichtigsten Passagen.
Seite 9/10: 
Die Kinder, die noch alles wissen wollen, was in ihrer Umwelt vorgeht, und die die Erwachsenen ständig mit ihren „Warum ?“-Fragen nerven, verlieren diese Neugierde meist nach den ersten Schuljahren. Und sie verlassen die Schule oft überfüttert mit Antworten, nach denen sie nie gefragt haben und die sie auch in ihrem Leben nie interessieren und brauchen werden.
Das macht die Wiederbelebung der natürlichen Wissbegierde und die Motivation zum freiwilligen Weiterlernen im Erwachsenenalter besonders schwierig

Lernen ist eine unumgängliche Lebens- und Überlebensfunktion. Ohne die lebenslange lernende Auseinandersetzung mit dem, was aus der Umwelt, der Lebens-, Arbeits- und Medienwelt, immer wieder an Eindrücken und Anforderungen auf sie zukommt, können Menschen nicht als Personen mit eigenem Denken und persönlicher Verantwortung überleben.
Da etwa 70 % aller menschlichen Lernprozesse außerhalb der Bildungsinstitutionen stattfinden
(1), da aber meist nur die schulischen Lernerfolge gesellschaftlich anerkannt und honoriert werden, gibt es eine ungerechtfertigte gesellschaftliche Bildungskluft aufgrund schulischer Zeugnisse und „Begabungen“.
Die Begabungen und Kompetenzen, die sich als Ergebnisse des informellen Lernens außerhalb des autorisierten Bildungswesens entwickeln, finden nicht die Beachtung und Anerkennung, die sie verdienen.
Es ist allerdings eine bleibende Bildungsaufgabe, über den unmittelbaren Erfahrungskreis und persönlichen Anwendungsbereich eines „natürlichen“ Lernens in der eigenen Umwelt hinauszuführen und insbesondere junge Menschen zu veranlassen, auch nach allgemeinen „Lehrplänen“ manches zu lernen, was sie zunächst nicht interessiert, was aber Pädagogen und Bildungspolitikern zur Wahrung einer Kulturtradition und als grundlegend-maßgebendes Orientierungswissen fürs spätere Leben wichtig erscheint.
Dieses formalisierte Lernen hat aber nicht nur zu einer notwendigen Erweiterung der Lern- und Verstehenshorizonte, sondern auch zu einem „entfremdeten“ Lernen geführt, das nicht mehr von eigenen Wissensbedürfnissen der lernenden Menschen getragen wird.
Das scheint ein unauflösliches bildungspolitisches Dilemma zu sein:
Eine gewisse „Formalisierung“ des Lernens in planmäßig veranstalteten, verbindlich geregelten Lehr-Lernprozessen in besonderen Bildungsinstitutionen scheint notwendig, vor allem
- um das, was sich aus dem Lernen anderer Menschen und Zeiten als Ertrag herauskristallisiert hat, für das jeweils neue Lernen fruchtbar zu machen und in die persönliche Wissenskonstruktion einzubeziehen,
- um die geistigen Horizonte über die unmittelbaren Erfahrungskreise hinaus zu erweitern
und
- um zur kritischen Reflexion über das in der Lebenspraxis Gelernte anzuregen.
Wo es aber nicht gelingt, den Lernenden den Sinn dieses Lernens plausibel zu machen, können Neugier und Wissenwollen als innere Antriebe zum Lernen überlagert und erdrückt werden.
Das vom Leben „draußen“ abgegrenzte schulische Lernen hat die fehlenden Interessen der Lernenden durch die Verbindung mit Sanktionierungs- und Gratifikationssystemen zu kompensieren versucht.
Die Erfahrung mit direkt oder indirekt erzwungenem Lernen, mit Lernkontrolle, Noten- und
Versetzungsdruck hat bei vielen Erwachsenen zu abschreckenden Vorstellungen vom Lernen geführt. Sie empfinden deshalb auch die Forderung nach einem „lebenslangen Lernen“ als eine unangenehme Zumutung, der sie nicht freiwillig zu entsprechen bereit sind.
Diese Erfahrungen mit weitgehend fremdbestimmtem, planmäßig veranstaltetem Lernen in
besonderen, von den interessanten Verwendungszusammenhängen in der Umwelt abgehobenen schulischen „Lehranstalten“ sind ein wesentlicher Grund dafür, dass es dann auch den offeneren, stärker teilnehmerorientierten Erwachsenenbildungsinstitutionen nicht gelingt, die Mehrheit der Erwachsenen zur freiwilligen Teilnahme an organisierten Weiterbildungsveranstaltungen zu bewegen. ...
Quelle: http://www.bmbf.de/pub/das_informelle_lernen.pdf, Seite 9/10


Viele Kinder leiden unter Schulstress
Hoher Leistungsdruck und zwischenmenschliche Probleme können bei Schülern gesundheitliche und psychische Beschwerden auslösen. Etwa 20 Prozent der Kinder zeigen sehr häufig oder häufig deutliche Anzeichen von Schulstress. ...
Bei weiteren 22 Prozent treten zumindest gelegentlich entsprechende Probleme auf. Das zeigt eine Forsa-Studie im Auftrag der DAK, bei der Mütter und Väter von Schulkindern unter 18 Jahren befragt worden sind. Vom Stress sind dabei Schüler im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren häufiger betroffen als jüngere Kinder.
57 Prozent der gestressten Heranwachsenden sind nach Angaben der Eltern unkonzentriert, nervös oder überdreht. 50 Prozent leiden bei hohem Druck unter Kopf- oder Bauchschmerzen, 43 Prozent sind traurig und ziehen sich zurück. Mit aggressivem Verhalten gegenüber den Eltern oder anderen Personen reagieren 42 Prozent der Kinder und Jugendlichen auf den Schulstress, 32 Prozent der Schüler müssen mit Lern- und Leistungsstörungen fertig werden. In einer solchen Situation wird der Gang zur Schule oft zum Albtraum und die Gesundheit wird belastet ...
Quelle: Monsters and Critics am 05.08.2008
Verwahrlost, aggressiv und ohne Bücher
Grundschullehrer flehen um Unterstützung durch Sozialarbeiter / Hilfe für Kinder und Eltern
In Kreuznach gibt es Schulkinder, die weder Schulbücher noch Mäppchen besitzen, die falsch ernährt sind, die im Winter ohne Socken in die Schule kommen, die austicken, sich auf den Boden werfen. Der Bericht aus Grundschulen schockte den Jugendhilfeausschuss. ...
Quelle: Main-Rheiner Allgemeine Zeitung vom 08.08.2008
Der letzte Bildungsweg
Trotz freier Lehrstellen finden knapp 200.000 Schulabgänger keinen Ausbildungsplatz. In privaten Einrichtungen sollen die Jugendlichen fürs Berufsleben fit gemacht werden. Doch nur gut ein Drittel der Teilnehmer vermag diese Chance zu nutzen. ...
Wer erfahren möchte, warum in Deutschland mehr als 100.000 Lehrstellen unbesetzt sind und gleichzeitig knapp 200.000 Schulabgänger keinen Ausbildungsplatz finden, muss nur eine Woche in einer Bildungseinrichtung wie der Rackow Schule zubringen; muss nur die kleinen und großen Handicaps von Schulabgängern des Jahres 2007 kennenlernen: wie sie an einfachen Rechenvorgängen scheitern oder an der deutschen Grammatik, wie es ihnen an der Fähigkeit mangelt, sich einzuordnen oder sich zu konzentrieren.
Quelle: SchulSpiegel am 04.08.2008
Angst vor der Schule?
Wenn Kinder Schule schwänzen, ist das nicht immer nur Ausdruck von „Null Bock“. Zunehmend haben wir es mit Angststörungen zu tun. Bereits 600.000 Schulverweigerer gäbe es in Deutschland, berichtete die Ärzte-Zeitung. Es sei wie eine sich ständig ausbreitende Krankheit, denn bereits fünf Prozent aller Schüler seien betroffen von Versagensängsten und Angst vor Mobbing. ...
Auch Professor Gerd Lehmkuhl, der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Köln, erklärte, dass nicht die Schulschwänzer das Problem seien. Es sei vielmehr der „Ausdruck einer komplexen, pyschiatrischen Störung mit persönlichen und sozialen Hintergründen." Bei einigen führt es zu Selbstverletzungen mit Tendenz zur Selbstzerstörung bis zum Selbstmord. Noch gibt es keine genauen Zahlen. ...
Quelle: Epoch Times Deutschland am 12.08.2008

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