1. August 2008

Leserechos

Lieber Jan Edel, am 01.02.08 fand in der Nikolauskirche, Rathausstr.5, Kiel, der Vortrag des Kriminologen Dr. Christian Pfeiffer mit dem Thema ,,Medienkonsum als Ursache von Schulversagen und Jugendgewalt? - Was ist zu tun?“ statt.
Die Ausführungen der dort veröffentlichten Statistiken und Ergebnissen von Nachforschungen gipfelten in der Live-Darstellung von typischen Gewalt-Videospielen. So konnten wir  Anwesende sehen, mit was sich die Kinder/Enkelkinder so in der Freizeit beschäftigen und auch identifizieren.
Andere Gründe für Schulversagen oder gar das Versagen des Schulsystems selbst, beispielsweise feminisierte oder lebensferne  Pädagogik, wurden nicht ansatzweise thematisiert. Die dargelegten Forschungsergebnisse über den Medienkonsum wurden ohne weiteren Beweis und wie selbstverständlich als Ursache aller Probleme von Schulversagen und Jugendgewalt unterstellt und nicht etwa auch umgekehrt als mögliche Folge von Schulversagen in Betracht gezogen.
Interessanterweise schien sich durch die dargestellten Morde und Geißelung sowie das austretende Blut  eine Art Apathie auf die Zuhörerschaft gelegt zu haben. Jedenfalls bot die Darstellung offensichtlich genug Beweiskraft und Gewicht, um der nachfolgenden, sehr vereinfachten, undifferenzierten und populistischen Parole eine Plattform zu gewähren: ,,Ganztagsschule für Alle!“
Vorher hatte der Herr Pfeiffer schon eine fast paradiesische Illustration von Ganztagsschulen anhand des Beispiels Neuseeländischer Ganztags-Colleges eingeflochten.
Interessant war vor allem auch die Art des Vortrags. Bei einer sehr blumigen Beschreibung dessen und seiner unterhaltenden warmen Stimme gab sich der Referent in fast paroleförmigen Auslässen aber auch direktiv und klang merkwürdig „erlösungsmonopolistisch“. Für einen Moment wurde ich eigentümlich an die – leider falsch und manipulativ eingesetzte -  Gabe eines 1933 ernannten Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda erinnert.
Die in dem Diskussionsforum für Fragen aus dem Publikum kommende Frage bzw. Feststellung, dass eine Lösung zum Abschaffen von Jugendgewalt und Schulversagen ja eine Wiederherstellung der Befriedigung des Jäger- und Sammler-Verhaltens, besonders bei männlichen Jugendlichen, wäre und dass, weil die Gesellschaft das nicht (mehr) hergebe, die Jugendlichen sich dies in verstärktem Medienkonsum wiederholen würden, schien für den Referenten eine Vorlage wie herbeigerufen zu sein.
Man fühlte sich als Publikum dem Ganzen wie „ausgesetzt“ und von der Last der „Beweisführung“ anhand der Zahlen und Blut-Darstellungen geschwächt.
Es wurden keinerlei Gegenargumentationen oder Differenzierungsversuche vorgetragen.
Aufgrund der geschilderten Veranschaulichungen paradiesischer Ganztagsschulangebote aus Neuseeland, die für mich den Anklang der Euphorie der HJ hatten, wurde man geradezu in die „erlösende“ Institution Ganztagsschule kanalisiert.
Ich möchte noch Herr Dr. Pfeiffers Verbindungen zu Frau von der Leyen und Herrn Beckstein erwähnen, die er als ,,gute Verbindungen“, mit denen er im Gespräch sei, bezeichnete. Erwähnt wurde auch ein Gesetzentwurf in Richtung Ganztagsschulen, der „schon in der Schublade“ sei, - leider kann ich hier aber nichts Genaueres weitergeben.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich die gegenwärtige Entwicklung und den Kreuzzug (der Vortrag war an einem Sonntag- und seinem sonstigen Programm nach arbeitet er sieben Tage d. Woche an der Meinungsbildung zu Gunsten dieser Sache) eines Herrn Dr. Pfeiffers als alarmierend ansehe.
Auf den ersten Blick ist das Angebot von modernen, qualitativen Ganztagsschulen für viele sehr gut aussehend – und kann auch vordergründig gut laufen, ich sehe darin aber eine Bedrohung für einen freien Rechtsstaat, wenn der Staat immer mehr in die Erziehung eingreift und so die Zügel wieder in die Hand von kontrollfähigen, politischen Systemen gegeben werden.
Das Ganze könnte sich dann schnell auf EU-Ebene weiterentwickeln.
In einem staatlichen Zwangs-Schulsystem könnte dann schon den Kindern von heute beigebracht werden, was z.B. morgen zu wählen ist oder was in Zukunft religiös korrekt ist. Ich jedenfalls bin froh über meine Wahrnehmungen und sage nur: Wehret den Anfängen.  Mit freundlichen Grüßen, Markus aus Kiel
Anmerkung: Website, die zu diesem Vortrag einlud

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